19. Dezember 2019
19. Dezember 2019
sam

U-Bahngedanken und das Multiversum

Die Lichter sind an. Die Nacht ist schwarz und gelb - passend zu der Stadt, deren schwarzgelber Sportverein einer ihrer absoluten Exportschlager ist. Die U-Bahn ist mäßig besetzt. Arbeiter, Junkies, Alkis. Das Publikum ist ebenso vorhersehbar wie einzigartig. Ein versoffener Alter in zerschlissenen Klamotten ist mir bekannt. Ihn habe ich schon ein paar Mal gesehen. Ich erkenne ihn wieder - kenne ich ihn damit? Ich bin ihm öfters begegnet als einigen Leuten auf Facebook, die ich als meine Freunde bezeichne, oder sagen wir, die Facebook als meine Freunde bezeichnet. Wenn ich ihm in Griechenland am Strand begegnete, könnte ich mit Bestimmtheit sagen, dass er ein obdachloser Alkoholiker aus Dortmund Mitte ist - mehr als ich über manche Menschen, denen ich die Hand gebe, weiß.

Kenne ich ihn?

Was ist kennen?

Ich grübele mich durch die Definitionen und weiß nicht einmal mehr, ob ich mich selbst kenne. Zumindest bin ich mir seiner Existenz bewusst und somit ist er ein Teil von mir; ein Teil der Erfahrungen, die mich ausmachen.

Es ist seltsam, wie alles verbunden ist.

Ich sehe mich um.

Die wenigen Menschen um mich herum könnten unterschiedlicher kaum sein. Unterschiedliche Leben, Überzeugungen, Einkommensklassen, Hoffnungen, Wünsche. Und dennoch sind wir hier. Alle unsere Lebenswege haben dazu geführt, dass gerade jetzt, gerade wir in gerade dieser Bahn sitzen. Die unendlich vielen Zufälle, die dazu nötig waren, lassen die Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns daneben alltäglich aussehen.

Wir Menschen leben in einer Blase.

Durch die Tatsachen, dass die Wahrnehmung unserer Welt in unserem Körper stattfindet und dass die Sinne, die nötig sind, um unsere Umgebung zu erfassen, argen Beschränkungen unterliegen, sind wir automatisch der Mittelpunkt unseres eigenen Universums.

Direkt nach unserer Geburt interagieren alle unsere Mitmenschen ausschließlich mit uns. Unsere Sinne entwickeln sich und die Wahrnehmung unserer Umwelt wächst in einen konzentrischen Kreis um uns herum. So entsteht eine Blase um uns, deren Mittelpunkt immer wir sind.

Alle Menschen in dieser Blase weichen uns entweder aus, reden mit uns oder versuchen nicht von uns wahrgenommen zu werden. Gebäude nehmen wir über die Fassade wahr, die sie uns präsentieren, so dass wir die Bedeutung von Architektur unbewusst darüber, wie sie sich in unserer Blase präsentiert, bestimmen.

Wir sind der Anfang und bleiben bis zum Ende der absolute Mittelpunkt unserer stetig wachsenden Welt und alle und alles in dieser Welt ist Gast in unserer Blase, Statist, den das Leben (welches wir auch als Personifikation in unsere Blase einbinden) uns entgegenschmeißt um unsere Lebenserfahrung zu beeinflussen.

Daran können wir nichts ändern, aber wir können uns darüber bewusst sein und die Konsequenzen daraus ziehen. Wir können uns klarmachen, dass jeder einzelne von uns ein unbedeutender Statist in abertausenden solcher Blasen ist, derer jede einzelne ein eigenes Universum mit einem eigenen Mittelpunkt ist und jeder dieser Mittelpunkte ist ein Mensch wie wir, dessen Welt sich nur um ihn dreht, dessen Taten ihm ebenso bedeutsam erscheinen, wie uns die unsrigen und dessen Weltbild ihm ebenso fundiert zu sein vorgaukelt, wie uns das unsrige.

So wächst in mir in dieser Nacht in dieser U-Bahn die Erkenntnis, die wohl zu den unschöneren im Verlaufe eines Daseins zählt: die Tatsache, dass wir nicht in tausenden Universen leben, sondern in einem und dass es folglich um keinen von uns kreist, sondern nur um sich selbst und dass jeder einzelne von uns sich mal schön in Bescheidenheit üben sollte, denn - machen wir uns nichts vor - jeder einzelne von uns ist in nur einer Realität etwas besonderes und in 8 Milliarden weiteren nicht mehr als ein Statist.

Mein Geist begreift, verarbeitet und stagniert. Meine Leber schwemmt Giftstoffe aus meinem Körper, mein Blut pumpt THC durch meine Adern, meine Libido lässt mich mit einer jungen Passagierin mit - nunja - gewagter Garderobe vor meinem inneren Auge (einvernehmlich, versteht sich) überaus fragwürdiges anstellen und mein Verstand fragt: was wäre, wenn wir alle einander als Realitäten innerhalb unserer Realität, als Universen innerhalb unseres Universums vorstellten? Was wäre, wenn wir einander nicht lediglich Statisten, sondern Bezugspunkte wären, wenn alle Menschen einander als Hauptrollen annähmen, ja, wenn wir gemeinsam ein Universum, einen gemeinsamen Kosmos erschafften und am Ende gar die Realität zwängen, sich uns zu unterwerfen, da sie sich nicht mehr auf milliarden Realitäten verteilt, sondern sein muss, was sie ist - eine für alle. Und ich sehe das Nirvana und ich begreife was es ist und ich schweige.

Es ist ein paar Stunden später. Ich bin verwirrt, weil ich nicht so recht weiß, was ich letzte Nacht mit vorliegendem Geschreibsel auszusagen gedachte. Aber irgendwie klingt es auf eine wirre Weise ganz gut. Also korrigiere ich die meisten der unzähligen Fehler und lade hoch. 

Schmutz für die Welt✊🏽

(2013)

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